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- Das Ende von John Fubbister -

 

Artikel II.
Das merkwürdige Ende von John Fubbister

von J. Gottfred.


Die wahre Geschichte über einen höchst bemerkenswerten Vorfall im Pembina River Posten im Jahr 1807.

Mit 'Das merkwürdige Ende von John Fubbister' setzen wir eine Serie von Geschichten über Leute, Orte und Vorkommnisse des Nordwestens fort. Die Geschichten werden in einer fiktiven Form dargebracht und enthalten oft allgemein gehaltene Anschauungen über die beschriebenen Vorkommnisse, ohne Rücksicht auf ihre Genauigkeit. Eine kurze erläuternde Notiz am Schluß jedes Artikels gibt die bekannten Fakten für die Geschichte.

Es war vier Tage nach Weihnachten im Jahr achtzehnhundertundsieben in dem kleinen Pelzposten, der sich nah an den Pembina Fluß im südlichen Manitoba schmiegte.
Tief am Winterhimmel stehend schien die wässerige Sonne öde durch den Eiskristallnebel, und der Schnee lag hoch um die Espen, die einsame Wache entlang des zugefrorenen Flusses standen. Nur das gelegentliche Brechen eines Baumes wegen der Kälte drang durch die Stille.
Dies waren die dunkelsten Tage des Winters, wo die Männer mehr als sechzehn Stunden am Tag durch Dunkelheit und Kälte auf ihre engen Unterkünfte beschränkt wurden. Viele merkwürdige Geschichten werden über die eigenartigen Ereignisse solch einsamer Tage erzählt. Gab nicht David Thompson selbst die Partie Schach auf nach dem Verlieren eines Spiels mit dem fleischgewordenen Teufel in einer solchen langen Winternacht? Ja, fremdartige Dinge geschahen wirklich im Geist der Menschen an solchen isolierten und einsamen Orten.

Alexander Henry [der Jüngere], der Chef des Postens, war besorgt. Früh am Nachmittag war ein atemloser Bote in den kleinen Vorposten mit der Nachricht hereingestürmt, daß die Sioux die Saulteurs bei Grandes Fourches angegriffen hatten und den Freund der Company, den großen Chef Tabashaw getötet hatten.Solche Nachrichten verhießen Übel für das Geschäft und könnten auch die Leben seiner Männer gefährden.
Henrys Gedanken wurden von einem Anklopfen an der Tür unterbrochen. Weitere schlechte Nachrichten fürchtend, bewegte er einen seiner Clerks, den Boten einzulassen. Die Tür ging auf, und ein eisiger Luftzug fegte ins kleine Zimmer. Auf der Schwelle stand John Fubbister, einer der Männer, die für Henrys HBC Rivalen arbeiteten, welche einen Besuch wegen den Feiern zum Neuen Jahr gemacht hatten. Noch kaum ein Junge, waren die Augenbrauen des kleinen Orkneymanns mit Frost bedeckt, seine Augen waren feucht und er unterdrückte einen Schauer, als seine Nase tropfte. "Verdammt, glotz nicht so, mach die Tür zu!" baffte Henry seinen Clerk an. Fubbister an der Schulter packend und ihn hereinziehend, stemmte der Clerk seine Schulter gegen die grobe getäfelte Tür und schlug sie gegen den eiskalten Wind zu.

"Guter Mann, sprich lauter, was ist los?" fragte Henry den zitternden Orkneymann.
Eine Welle von Schmerzen zuckte über Fubbisters Stirn, und er platzte heraus "Bitte Sir, ich... mir ist nicht gut, Sir. Dürfte ich mich an Ihrem Feuer aufwärmen, Sir?" Unter Henrys Basiliskenblick senkten sich Johns Augen zu Boden.

Einer der Clerks am Feuer brauste entrüstet auf. "Erinnere dich an deine Stellung, Fubbister. Du und deine Kameraden solltet es in den Mannschaftsquartieren gemütlich genug haben!"

Henry bedeutete dem Mann, still zu sein. Er konnte lesen, was in den Köpfen seiner Clerks vor sich ging. Nach allem, wer würde den Platz am Kamin aufgeben wollen für einen Mann, der Gott allein weiß welche Ansteckungsgefahr in ihre Mitte bringen konnte? Henry rief sich ins Gedächtnis zurück, was er von John Fubbister gehört hatte. Er hatte sich zwei Jahre vorher von den Orkneyinseln kommend der HBC angeschlossen. Fubbisters Chef, Hugh Heney, hatte gesagt, daß er gute Diesnste geleistet hatte, obwohl er immer noch nur ein Junge war. Dennoch war es eine ungewöhnliche Bitte.

Vielleicht war es der weihnachtliche Geist, der immer noch Henrys Adern durchströmte, oder es war vielleicht ein plötzliches Mitleid, da ein erneuter Schmerzenskrampf Johns Körper quälte, aber nichtsdestotrotz bewegte er John in Richtung des Feuers. "Es ist in Ordnung. Setz dich nieder und wärme dich auf, Mann."
Den Blicken seiner Clerks ausweichend, stieg Henry die steilen Stufen zu seinem warmen Zimmer hinauf, seine Gedanken noch einmal auf seine Aufgaben im Posten zurückführend.
"Sir! Mister Henry, Sir!" Henry erwachte abrupt. Er war eingedöst, vornüber über seinem winzigen Schreibtisch, den Bleistift in der Hand. Er lehnte sich hinüber, um die Stufenleiter hinunter seinen Clerk unten anzuschauen. "Was zum Teufel ist jetzt wieder?" fragte er.

"Fubbister würde mit Ihnen sprechen wollen, Sir, wenn Sie einverstanden sind."

Fürchtend, das Schlimmste könnte dem Mann widerfahren sein, ging Henry hinunter in das gemeinsame Zimmer und formte im Geiste einige Worte des Trostes für seine große Bürde.

Fubbister lag ausgestreckt am Kamin. Ein heftiges Stöhnen entkam seinen Lippen. Er fluchte, verzog das Gesicht vor Schmerzen und Tränen strömten seine Wangen hinunter. Bem Anblick von Henry streckte er seine Hände aus und bat um Erbarmen.
Henry stoppte seine Schritte und tauschte die vBlicke mit seinen finster blickenden Clerks, die über dem schmerzerfüllten Mann standen. Was sollte gemacht werden? "Es ist aus mit ihm, schätze ich," sagte einer. "Noch nie sowas gesehen," rief ein Zweiter.
Fubbister schnappte nach Henrys Hosenbein, sein Griff wie Stahl. "Hört mich, Sir", bettelte er unter Tränen und zusammengebissenen Zähnen. "Habt Mitleid mit einem armen, hilflosen, im Stich gelassenen Tropf! Ich wurde grausam behandelt, Sir! Oh Gott!" schauderte er, da sein Körper von einem neuen Anfall gequält wurde. "Ich habe ein Baby, Sir!"
Die Männer waren wie vom Donner gerührt, als sie die Gestalt auf dem Boden anstarrten. Unmöglich! Ein Orkneymädchen? Hier?

"Er ist verrückt," sagte einer der Clerks, seinen Kopf langsam schüttelnd. "Das Fieber ist in seinen Kopf gegangen, Sir."
"Ich bin nicht verrückt, verdammt!" schrie die Gestallt an dem Kamin. "Ich bin ein Mädchen!" und wie er dies sagte, streckte er sich hoch, riß seine Jacke auf und offenbarte ein Paar runde weiße Brüste.

Man kann sich die Verwirrung des nächsten Moments vorstellen, als sich diese rauhen und zähen Veteranen mit einer Situation konfrontiert sahen, auf die keiner von ihnen sich jemals vorbereitet hatte. Bären, feindliche Einheimische, Ertrinken und Erfrieren waren alle eine natürliche Angelegenheit, aber Orkneymädchen, die an jemandes Kamin gebären, waren ziemlich jenseits der Grenzen des Erlaubten.

Seine Augen für ihn verdammend, sandte Henry einen seiner Männer, um eine Hebamme zu holen, während sich die Anderen beeilten, eine Decke zu holen und Wasser heiß zu machen oder was es auch immer ist, was man in solchen Momenten der Krise tut. Inzwischen kniete Henry neben einer Person, die er gerade vor kurzem als John Fubbister gekannt hatte, und hörte die erstaunliche Geschichte von Isabel Gunn.

Sie wurde auf den Orkneyinseln geboren und als eine junge Frau war sie von einem John Scarth verführt worden, der anschließend zur Hudsons Bay verschwunden war. Diese einfallsreiche und erstaunliche Frau, die erfährt, daß ihr Liebster sich in die Wildnis von Kanada aufmachte, hatte bei der HBC als ein Mann unterzeichnet und eine Überfahrt in den Nordwesten erhalten. Sie hatte ihre Verkleidung nahezu zwei Jahre aufrechterhalten, bis ihr Zustand ihre wahre Natur offenbarte.
In dieser Stunde wurde Isabel von einem prächtigen, gesunden Jungen entbunden, den sie James nannte. Sowohl Mutter als auch Sohn waren bei ausgezeichneter Gesundheit und bald wieder für die Reise wiederhergestellt, so wurden beide in Henrys Cariole am frühen Nachmittag nach Grandes Fourches gebracht, wo sie mit ihrem Liebsten wieder zusammenkam.

Und so endete die Karriere von John Fubbister und ebenso die erstaunliche wahre Geschichte von Isabel Gunn, die erste europäische Frau, die im Nordwesten ein Kind zur Welt brachte.

 

Isabel Gunn wurde bei Tankerness, Orkney im Jahr 1781 geboren. Ihr Liebhaber war John Scarth von der Gemeinde von Firth. Um zu vermeiden, getrennt zu werden, verkleidete Isabel sich als ein John Fubbister und unterzeichnete bei der HBC im Juni 1806 bei Stromness auf Orkney an. Das Paar segelte im Sommer nach Albany an der Hudsons Bay an Bord der Prinz von Wales. Im Jahr 1807 wurde sie einer Brigade unter dem Befehl von Hugh Heney zugeteilt und reiste zum Red River Gebiet, wo ihren Sohn James zur Welt brachte. Nach der Geburt kehrte sie nach Albany zurück, nahm den Namen Mary an und arbeitete als Krankenschwester und Waschfrau, bis sie im Jahr 1809 nach Hause geschickt wurde. Sie starb in Armut in Stromness am 7. November 1861.

 


Bibliographie

Henry, Alexander (the Younger). The Journal of Alexander Henry The Younger 1799-1814. The Champlain Society, University of Toronto Press, 1988. ISBN 0-9693425-0-0. Volume 1, pp. 299-300.

Henry, Alexander (the Younger). New Light on the Early History of the Northwest : The Manuscript Journals of Alexander Henry... Elliot Coues (ed.) Reprint-Ross & Haines : Minneapolis, 1965. Originally published 1897. p. 426.

Van Kirk, Sylvia. Many Tender Ties : Women in Fur-Trade Society, 1670-1870. Watson & Dwyer : Winnipeg, 1980. ISBN 0-920486-06-1, pp. 175-177.

 


Übersetzung von J. Mühlrath
 
Copyright Northwest Journal ISSN 1206-4203
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