Zum Originalartikel auf den Seiten von Northwest Journal:
 
zurück
- Der gut gekleidete Forscher -

 

ART.VI.
Der gut gekleidete Forschungsreisende

von J. Gottfred.

Hier werden einige Hinweise und Theorien über den Anzug solcher Forscher wie David Thompson, Alexander Mackenzie, und Peter Fidler vorgestellt.


Auf der Nordseite der Stadt Elk Town in Alberta steht eine große hölzerne Statue von Peter Fidler. Fidler war ein Forscher der Hudson's Bay Company und Kommissionär von Buckingham House von 1796 bis 1797. Fidler wird von Kopf bis Fuß in Wildleder gekleidet daargestellt, samt Fransen und Perlenstickerei und bedeckt mit einer Waschbärenfellmütze. Er steht, einen Sextanten an sein Auge haltend, und blickt zum Horizont in heroischer Huldigung seiner Erforschungen. Für viele von uns ist dies das verbreitete Bild der frühen Erforscher und Händler - aber ist es richtig? Wie zogen sich diese Männer wirklich an?



Der Gigant Peter Fidler in Elk Point, Alberta

Die Tagebücher dieser Männer enthalten sehr wenig in der Weise körperlicher Beschreibung ihrer Autoren (oder ihrer Begleiter), aber sie enthalten einige Anhaltspunkte darüber, wie sie gekleidet waren.

Am 19. Oktober 1801 machte der Schneider in Chesterfield House "einen edlen blauen Stoffmantel" für Fidler, und am 26. Oktober machte er Fidler eine "gelbe Hose" (Johnson, 297n). Am 24. Dezember hatte der Schneider Fidler eine weitere Weste zu machen und offenbar enthielt Fidlers Truhe 24 Westen am 8. Juli 1813 (Johnson, 304n). Am 27. Januar 1802 ließ Fidler "dem Schneider ihm einen roten Überrock machen" (Johnson, 308n), und am 15. Februar noch eine weitere Weste (Johnson, 310n). Zweifellos ist dies ein Mann, der Interesse daran hat, eine zivilisierte Erscheinung aufrecht zu erhalten!

Was mit "Hosen" gemeint ist, ist nicht klar. Samuel Johnsons Wörterbuch von 1756 definiert Hosen mit "Kniehosen, langen Kniehosen, Pantalons" (S. Johnson, 760). Um 1800 kamen langbeinige Hosen in Mode, aber Fidlers "Hosen" könnten Kniehosen gewesen sein - die Kleiderlisten führen oft lange Wollstrümpfe auf!

Ein genaueres Bild von Fidler könnte sein, ihn mit einer Weste angezogen zu sehen, blauem Mantel und gelben Hosen, der mit seinem Sextanten etwa 30m vor ihm Richtung Boden zielt, wo sein mit Quecksilber gefüllter künstlicher Horizont stehen würde. (Siehe Northwest Journal Band 3, Seite 15 für Details, wie man einen Sextanten an Land benützt.)

C. W. Jefferys machte ein häufig kopiertes Bild von David Thompson, wie er Überprüfungen mit dem Sextanten macht. In dem Stich wird Thompson auf dem Boden sitzend dargestellt, wie er mit seinem Sextanten auf seinen künstlichen Horiont ein paar Meter vor ihm zielt. In dieser Hinsicht ist das Bild absolut korrekt. Thompsons Anzug, wie auch immer, ist fraglich. Jefferys stellt den berühmten Forscher in Kleidern nach Indianerart dar -— Wildlederkleidung mit Fransen und Perlen- oder Stachelschweinstickereien auf den Schultern. Ist dies richtig?

Im Oktober 1787, während er sich auf die Überwinterung mit den Piegan vorbereitete, schreibt Thompson, daß er "ein Baumwollhemd, eine blaue Stoffjacke und Lederhosen" trägt und außerdem mit "einem weiteren Hemd, einem Ledermantel, einer Decke und einer Büffelrobe" versorgt ist (Glover, 46). Was ist diese Lederbekleidung? Könnten es Indianerkleider sein? Ich persönlich denke nicht, aus zwei Gründen. Erstens, pflanzlich gegerbte Wildleder- oder Schafslederhosen waren unter Händlern als strapazierfähige Arbeitskleidung gebräuchlich (Gehret, 127). Zweitens, Indianer trugen keine Hosen. Sie trugen stattdessen lange Leggins und bewahrten ihre Sittsamkeit mit langen Hemden, und manchmal mit Lendenschurz. Ich vermute, daß Thompsons Hosen und Jacken Lederkleider mit einem europäischen Schnitt waren, ohne Verzierung und vom Schneider des Handelsposten geliefert.

Im Jahre 1796 erlitt Thompson mit zwei Anderen auf einer Reise zum Lake Athabasca ein Mißgeschick, bei dem das Kanu sank. Er beschreibt seine übriggebliebenen Kleider als "mein Hemd und eine dünne Leinenweste" (Glover, 118). (Glücklicherweise retteten sie ihr "kleines Zelt aus grauem Baumwollstoff", das sie zerschnitten, um sich damit einzuwickeln, bis sie Hilfe erreichten (Glover, 118).)

Gabriel Franchère beschrieb Thompsons Ankunft in Fort Astoria im Jahre 1811 nach seiner glorreichen Erforschung des Columbia River: "Gegen Mittag sahen wir ein großes Kanu mit einer aufgestellten Fahne im Heck, wo es an dem Ort vorbei fuhr, den wir Tongue Point nannten. Die Fahne, die es trug, war die Englische, und die Besatzung setzte sich aus aus acht kanadischen Bootsmännern oder Voyageuren zusammen. Ein gut gekleideter Mann, der der Anführer zu sein schien, war der erste, der an Land sprang (Glover, 358n).

Diese Textstelle ist schwierig zu interpretieren, aber es muß daran erinnert werden, daß die Bewohner von Astoria von See her versorgt wurden und die meisten Luxusartikel des zivilisierten Lebens besaßen. Einer könnte den Einwand bringen, daß jenen ein "gut gekleideter Mann" nichts geringeres bedeutet hätte als eine Person samt Kniehosen, Weste, Mantel, sauberes Halstuch und Zylinder! Diese Interpretation kommt der Wahrheit sicherlich näher, als anzunehmen, daß Thompson in indianischer Weise gekleidet war. Eine solche Erscheinung würde mit Sicherheit in diesen Tagen eine Erwähnung hervorgerufen haben, wie dieses Zitat vom Juli 1806 zeigt.:
"Ich hörte eine mir vertraute Stimme von der Tür der Unterkunft her meinen Namen rufen, ob ich drinnen sei. Ich eilte zur Tür, angezogen wie ich war in Indianerkleidung, und war höchst überrascht, Mr. Charles Chabollez [Jr.], Mr. Alexander Henry [der Jüngere] und Mr. Allen Macdonel [sic!] zu sehen, in Begleitung dreier Männer. Ihre erste Begrüßung war ein Vorwurf wegen meiner Kleidung..." (Mandan Journal of Mr. Charles McKenzie, cited in Coues, 346)

Es scheint, daß Jefferys "Stich, 130 Jahre nach dem Vorfall, beeinflußt war durch moderne Vorstellungen über frühe Forscher"-Kleidung. ( Übrigens, mir wurde erzählt, daß die Teilnehmer der Lewis und Clark Expedition, ohne einen Schneider, gegen Ende der dreijährigen Expedition gezwungen waren, Kleider aus "Rohhaut" zu tragen. Vielleicht ist dies der Urspung der landläufigen Vorstellung über Forscher, die aussehen wie Daniel Boone.)

Alexander Mackenzie hinterläßt uns keine Beschreibung über seine Kleidung "im Feld" außer der Tatsache, daß er einen Umhang hatte, in dem er schlief (Lamb, 329), und daß dieser aus Camblet gemacht war (Lamb, 342). Camblet ist eine Mischung aus Wolle und Seide. Man bekommt auch eine Vorstellung über Mackenzies Einstellung zur Körperhygiene von der folgenden Passage, wo er gezwungen war, die Nacht mit zwei Indianern zu verbringen, um sie vor dem Weglaufen abzuhalten. Mackenzie berichtet, daß
"diese Leute keine Decke haben außer ihren Biberfellkleidern, und das meiner Begleiter war ein Nest voller Ungeziefer. Wie auch immer, ich legte sie unter uns aus und nachdem wir uns daraufgelegt hatten, deckten wir uns mit meinem Umhang zu. Das Haar meines Nachbarn war mit Fischöl eingerieben und sein Körper mit Rötel eingeschmiert, so daß mein Geruchssinn und mein Gefühlssinn drohten, meine Nachtruhe zu stören..." (Lamb, 342).

Mackenzie macht offenbar keinen Eindruck eines Mannes, der zu den "indianischen Ursprüngen zurückkehren" (go native) wolle.

Ein zeitgenössisches Portrait Mackenzies nach seiner Rückkehr in die Zivilisation zeigt ihn im typischen Gewand eines Gentlemans mit Halstuch, Weste mit hohem Kragen und Überrock Dies sagt uns selbstverständlich nichts darüber, wie er "auf der Reise" ausgesehen haben könnte, aber ich kann nicht glauben, daß jemand, der sich in Wildleder mit Fransen und Quill kleidet, alles mit einem Umhang aus Wolle und Seide bedeckt. Mackenzie trug auch ein Schwert und einen Gurt mit Pistolen. Damit und seinem Hut und Umhang wäre er als ein Pirat zutreffender beschrieben, als ein Indianer!

Falls jemand zusätzliche Informationen über die Kleidung der Forscher hat, möchte er uns doch bitte einen Brief oder einen Aufsatz zusenden. Wir wären froh, ihn in Northwest Journal aufzunehmen.


Literaturverzeichnis

Coues, Elliot, ed. New Light on the Early History of the Greater Northwest, the Manuscript Journals of Alexander Henry and of David Thompson, 1799-1814. Ross & Haines, Inc. Minneapolis, Minnesota, 1965.

Gehret, Ellen J. Rural Pennsylvania Clothing. George Shumway Publisher : York, Pennsylvania, 1990.

Glover, Richard, ed. David Thompson's Narrative 1784-1812. The Champlain Society : Toronto, 1962.

Johnson, Alice M., ed. Saskatchewan Journals and Correspondence 1795-1802. Hudson's Bay Record Society : London, 1967.

Johnson, Samuel. A Dictionary of the English Language. Barnes and Noble, 1994.

Lamb, W. Kaye, ed. The Journals and Letters of Sir Alexander Mackenzie. Cambridge University Press : London, 1970.


Übersetzung von J. Mühlrath
 
Copyright Northwest Journal ISSN 1206-4203
Zurück zur Artikelübersicht