In Nordamerika wurde das Rinden-Kanu von den Indianern
entwickelt. (Lassen wir hier einmal das Kajak unbeachtet
und sprechen nur von den "Indianerbooten".) Im
Laufe der Entwicklung entstanden unterschiedliche Modelle,
abhängig von Einsatzgebiet und stammestypischen Eigenarten.
Das typische Pelzhandelskanu aus Birkenrinde war ein eigenständiger
Bootstyp. Unter den ganzen stammestypischen und evt. lokaltypischen
Variationen gab es keines in dieser Form. Am nähesten
kommen noch die der Ojibwa, deren Spitzen recht hoch gezogen
sind. Aber die mächtigen und hohen Spitzen der Pelzhandelskanus,
bei Wind eindeutig nachteilig, wurden nur für die Belange
der Pelzhändler so entwickelt: sie sorgten dafür,
daß ein umgedrehtes Kanu relativ steil liegt und so
Platz schafft, daß man bequem darunter liegen kann.
Es war zusammen mit einer schräg abgespannten Plane
somit das Zelt der Voyageure, die damit unterwegs waren.
Eine zweite augenfällige Eigenschaft machte sie zu
einem eigenständigen Typ: ihre Länge. Die größten
waren bis zu 12 Meter lang. Diese Länge stellte aber
das Maximum dar, was mit den verwendeten Materialien konstruktiv
möglich war. Somit war dies eine natürliche Grenze
und entwickelte sich erst in der Zeit des organisierten
Pelzhandesl.
In der Pelzhandels-Ära um 1800 herum waren in der
Hauptsache zwei Kanu-Typen im Dienste der North West Company
unterwegs: Das große Montreálkanu (montreal
canoe, canot de maitre) und das kleinere Nordkanu (north
canoe, canot du nord). Montreálkanus, mit einer
Länge von ca. 11 Meter, wurden für die Routen
von Montreál nach Grand Portage (ab 1803 Fort William)
oder anderen Zielen im Gebiet der Großen Seen benützt.
Hier waren die Flüsse i.d.R. groß und tief, weite
Strecken führten über die Seen, die eher Binnenmeeren
entsprechen. Hierfür hätten Wasserfahrzeuge recht
groß sein können. Was das ganze aber einschränkte,
war die Forderung, daß diese Fahrzeuge über Portagen
(von Flußsystem zu Flußsystem oder um Stromschnellen
herum) getragen werden konnten. Das erforderte eine Leichtbauweise,
die aber noch eine vernünftige Ladekapazität ermöglichte.
Ein Montreálkanu hatte etwa ein Eigengewicht von
350 kg, konnte aber ein Gesamtgewicht von ca. 3 t tragen,
bei einem Tiefgang von einem halben Meter. Abzüglich
der Mannschaft und deren Ausrüstung und Verpflegung
für die Reise konnte etwa 2 t Ladung transportiert
werden. Die Mannschaft eines solchen Kanus betrug etwa 8
- 10 Mann. Das Kanu selbst wurde von 4 Männern getragen.
Die Ladung war in Packstücke aufgeteilt, die jeweils
um die 45 kg wogen. Davon nahm ein Voyageur bei einer Portage
zwei auf einmal, manchmal auch mehr. Die Portage war das
letzte Mittel. Wurde die Strömung zu schnell zum Paddeln
und war der Fluß seicht genug, wurde das Kanu mittels
Stangen gestakt, ansonsten mittels Seilen am Ufer entlanggezogen.
Manche Stellen ließen sich auch meistern, indem der
Tiefgang durch eine Teilentladung verringert wurde. Dann
mußte nur ein Teil der Ladung portagiert werden.
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Jenseits der Großen Seen im Norden und
Nordwesten waren die Flüsse kleiner und seichter. Hier
war ein Montreálkanu zu groß und behäbig.
Deshalb setzte man hier vorzugsweise die kleineren Nordkanus
ein mit einer Länge von 7-8 Meter. Sie hatten ein Gewicht
von ca. 150 kg und eine Tragekapazität von ca. 1,5
t. Die Mannschaften betrugen hier etwa 6-8 Mann. Ein Nordkanu
wurde von zwei Männern getragen, vorzugsweise in der
aufrechten Position, um dem Vordermann Sicht beim Tragen
zu gewähren.
Daneben waren natürlich auch andere Größen
in Gebrauch. So wird gelegentlich das canot batard
erwähnt, ein Kanu mit einer Größe zwischen
diesen beiden, also für beide Strecken zu gebrauchen
(oder für beides nicht richtig geeignet, je nach Sichtweise:-).
Für die Übermittlung von wichtigen Nachrichten
oder sonstige eilige Fälle wurde ein Expreßkanu
eingesetzt. Wobei dies m.E. keinen speziellen Typ ausmacht,
sondern eher die Art und der Zweck, zu dem dies Boot verwendet
wird. Ein leeres Nordkanu mit 10 Mann Besatzung wäre
ein Expreßkanu wegen der möglichen Reisegeschwindigkeit.
Meist war es ein kleineres Kanu, das zwar wenig transportieren
konnte, aber sehr schnell war: die Geschwindigkeit war entscheidend.
Juni 2004 - © Johannes
Mühlrath
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